Vier Tage auf der Ebenalp
Alex Hofer,
20. June 2002
Freitag 14. Juni Start: 11.15 auf der Ebenalp Landung: 19.15 in Strass im Zillertal (183 km) Bruno Arnold, Michi Schläpfer, Michi Kobler und ich wollen zum Gonzen fliegen, denn von dort soll die Rheintalquerung möglich sein. Der starke Wind im Alpstein lässt mich dann aber vermuten, dass schon die Querung des Toggenburgs vom Wildhuser Schafberg in Richtung Churfirsten an diesem Tage nicht machbar sei. So entscheide ich mich, direkt vom Hohen Kasten aus das Rheintal zu queren. Das Tal ist hier allerdings so breit, dass mir Ortskundige berichteten, man könne nicht drüberfliegen, und auch ich war da auf einem früheren Flug schon mal am Boden gestanden. Es scheint mir aber doch noch die beste Möglichkeit zu sein und so fliege ich mit 2500 m.ü.M Höhe los. Dank Rückenwind komme ich drüben auf immerhin 1500 m.ü.M an. Von Frastanz aus läuft ein Quertälchen Richtung Süden weg. Nach etwa einer halben Stunde Kampf in der stabilen Rheintalluft finde ich in den Morgenhängen dieses Tälchens schliesslich doch die Aufwinde, die mich wieder hoch über die drei Schwestern steigen lassen. Ich fliege noch etwas in diesen Bergen weiter, quere dann das Montafon und will über den Arlberg. Doch nach dem Arlberg ist alles blau, keine Wolken am Himmel. Ich frag mich natürlich was los ist und komme zum Schluss, dass der starke Wind die Thermik verbläst. Der Wind macht mir zu schaffen. Ich fliege ausschliesslich luvseitig und immer so hoch wie möglich. Weiter nördlich in Deutschland siehts besser aus. So wechsle ich kurz vorm Arlberg rüber ins Lechtal. Hier kommt eine hammermässige Partie. Ich muss jeweils nur das Vario mit 5-6 Metern läuten lassen, bis es etwa 3400 Meter anzeigt, um dann mit so 55 km/h Groundspeed die nächste Wolke anzusteuern. Ich seh schon Garmisch und die Zugspitze, flieg übers Wetterstein- und Karwendelgebirge (hier sind bei einem Absaufer lange Wanderungen zu vergeben) weiter. Am Abend stabilisiert die Luftmasse, die Wolken lösen sich auf und die Thermik wird langsam. Bei Strass, eingangs Zillertal finde ich meine Endstation. Ich hab 180 km. Sehr tief, in einem Hang halb Luv halb Lee kann ich noch mal 100 Meter Höhe gewinnen. Ob ich hier noch die Höhe kriege, um die 200er Marke zu durchbrechen und den fetten Preis von 5000 Fr. (gespendet von XIX und der Ebenalpbahn) abzusahnen? Es geht rauf und runter ist eher aussichtslos und bockt einfach zu krass. So lande ich halt nach 183 km bei Strass. Es war jedenfalls ein toller Flug und es sollen ja noch Hammertage kommen, um den 200er doch noch zu machen... Samstag Wir queren wieder das Rheintal, drüben stehe ich aber in besagtem Quertälchen ab, weil Cirren alles abschatten. Nur Bruno kommt noch mal hoch, landet dann aber auch im Montafon. Zu Fuss will ich das Tälchen verlassen, als mir ein Wildhüter begegnet. Starten und Landen sei in ganz Vorarlberg nur auf auserwählten Sart- und Landeplätzen erlaubt. Er habe vier Schirme gesehen und die Nummern aufgeschrieben. Raiffeisen habe er gelesen (das war Bruno) und gestern habe er schon einen roten Schirm beobachtet (das war ich). Dieser werde morgen beim Bundeshauptmann verzeigt. Ich fragte ihn etwa zehn Mal, ob denn der Rote hier gelandet sei. Da laberte er natürlich immer etwas anderes; wenn wir in der Schweiz einen Saustall hätten, sei das ihm egal, aber hier herrsche Ordnung usw... Wie die rechtliche Lage genau ist, weiss ich nicht. Ich war aber beeindruckt, dass es primitive Menschen mit so engem Horizont gibt, die ausser sich geraten und nicht mehr normal reden können, wenn ein Farbtupfer in ihre Welt eindringt. Sonntag Es hat zu viel Wind. Wir fahren gar nicht an den Startplatz und verbringen den Tag mit rumfläzen. Montag Start: 11.40 auf der Ebenalp Landung: 19.20 in Cavédine, in der Nähe von Trento, südlich von Bozen (187 km) Bruno und ich wollen jetzt doch noch die Route über den Gonzen versuchen. Es ist zu Beginn recht stabil und bis ich richtig hochkomme dauert es eine ganze Weile. Das Toggenburg haben wir gequert. Am Alvier (kurz vor dem Gonzen) drehen wir in eine Atomhöhe auf, so dass wir das Rheintal dann recht einfach überfliegen können. Es geht jetzt leicht das Prättigau hoch. Nahe beim Piz Linard fliegen wir über die Berge ins Enagdin. Bruno hat’s grad nicht gut erwischt und steht schliesslich da am Boden, während’s mich auf 4400 m.ü.M hochgespickt hat. Starke Nordwinde waschen mich die sonnigen Hänge beim Ofenpass runter und zwingen mich auf die andere Seite zu wechseln. Da geht’s dann wieder hoch. Ich lasse die geplante Route sausen, und fliege einfach dem GPS-Pfeil nach, einfach möglichst geradlinig von der Ebenalp weg. Es steigt immer wieder auf deutlich über 4000 Meter hoch. Ich flieg mitten über den Ortler (3905 m.ü.M) und weiter und immer weiter. Ich verlasse die letzten hohen Berge und steuere so um die 2000 Meter hohe grüne waldige Kreten an. Dort finde ich leider keine Thermik mehr. Eine Stunde lang soare ich im Talwind, drehe und versuche auf 900 m.ü.M unbedingt noch mal hochzukommen. Denn nur an diese Krete muss ich es schaffen, dann ist der 200er perfekt und meine Geldbörse saniert. Nun, es gelingt nicht und bei 187 km stehe ich am Boden. Mein Ziel hab ich verfehlt und ich bin schon etwas enttäuscht, jetzt schon zum zweiten Mal so knapp zu scheitern, zumal ich heute wirklich zuversichtlich war, als um 18 Uhr schon fast 180 km auf dem GPS standen. Mit etwas Distanz betrachtet überwiegen aber dann natürlich doch die zwei grandiosen Erlebnisse, die mir diese „Ebenalp-Ferien“ bescherten.