Alex Hofer fliegt von der Fürenalp 207km an den Lac d\'Annecy
Alex Hofer,
12. May 2001
Am Samstag wollte ich wieder mal die 200 km von der Fürenalp versuchen, um den jahrealten 5000-Fürenalp-Barpreis abzuholen. Beim Erwachen meldete mir ein SMS, dass ich meinen Schirm am Vortag im Bus vom Jan Leibundgut vergessen hatte. Also nichts wie ins Auto springen und erstmal den Schirm holen. Wie ich in Matzendorf ankam, streckten Jan und Andi Ochsner gerade ihre nackten Ränzen der warmen Morgensonne entgegen. Meinen Boomerang hab ich. Auf der Raststätte Gunzgen kauf ich noch schnell einen 36er Film und zwei Eisteeflaschen für unterwegs. Zu essen hab ich noch nichts, deshalb kauf ich mir in der Fürenalp Beiz noch eine Scheibe Brot; drei wären besser gewesen! Es ist Bisenlage angesagt. So dachte ich, ich versuche mal, ob man in unseren Alpen auch von Ost nach West fliegen kann, was ja bisher noch nicht bewiesen wurde. Um 11.30 starte ich, der Thermikmotor ist schon wunderbar im Gange. Nur die Basis ist nicht so hoch; die Krete von Engelberg ins Melchtal schaffe ich mit wenigen Metern. Die vom Melchtal nach Meiringen hingegen ist zu hoch. Ich könnte sie via Brünig umfliegen, um dann wie geplant nach Grindelwald-Schilthorn-Adelboden zu fliegen. Ich entscheide mich aber, mich über den Brünig Richtung Unterbach runterwaschen zu lassen, um dann wieder anzuhängen und den Hardergrat zu fressen. Es klappt wie am Schnürchen. Wäre die Bise stark, und das Mittelland voller Wolkenstrassen, würde ich versuchen, zum Jura zu wechseln, aber dem ist nicht so. Vom Niederhorn quere ich direkt zum Niesen. Die Bise scheint schwach zu sein, deshalb fliege ich links ins sonnige Lee, und nicht rechts ins schattige Luv. Wieder dasselbe Spiel: Nach einem wüsten Wascher steigts den Wolken entgegen. Lenk-Gsaad-Col du Pillon – alles läuft wunderbar. Um 15 Uhr habe ich die ersten 100 km, um 18.30 würden es 200 sein, denke ich mir. Nach dem Pillon ist alles abgeschattet, doch zum Glück scheint dies die Thermik nicht gemerkt zu haben. Ich fliege an einen Felsen der Diablerets, der einigen noch von der SM Montreux in bester Erinnerung sein wird. Kein Strahl Sonne trifft ihn, aber der Schlauch steht. Ok, Basis machen noch ein zwei Wölkchen nehmen und dann die lange, lange Querung über Monthey. Auf der Karte hatte ich sie studiert. Doch wie soll ich jetzt hier auf 2400m abfliegen, um dann nach 15 km in der toten Genferseeluft wieder raufzukommen, an dem flachen halbbesonnten Gegenhang? Es ist mir ein Rätsel. Doch die Luft ist nicht tot. Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich mir zu wünschen getraut, dass ich über Monthey in einem tip-toppen Flachlandschlauch 200m gewinnen kann. Ein bisschen Geduld und ich hänge oben an den Dents du Midi, eindrückliche Felszagel an denen ich schon lange mal fliegen wollte. Ein fast-CB versperrt mir den geradlinigen Weg. Ich umfliege ihn rechts, quere die Grenze Richtung Morzine. Um 16.30 hab ich 150 km. Plötzlich bläst mir ein steifer Wind entgegen. Es wird schwieriger. Auf über 2000m fliege ich ab, um über einen kleinen Hügelzug nach Cluses zu gelangen, wo ich dann wieder aufsoaren könnte, wie ich vom PWC Mieussy wusste. Doch da ist noch ein kleiner Hügelzug. Den hatte ich vorher gar nicht beachtet, und jetzt plötzlich versperrt er mir den Weg. Ich stehe fast im Wind und sinke, sinke und sinke. Ich komme mir vor als ob ich gegen Beton kämpfen würde. Ich kehre um, drehe noch einmal neu auf, fliege vorhaltender und versuch‘s nochmals. Es geht! Als die Sperrzone überstanden ist, werde ich mit einem 3 Meter Schlauch aus dem Nichts belohnt. Langsam nähere ich mich der lange ersehnten Chaine des Aravis. Es ist jetzt schon nach sechs Uhr. Die Thermik wird langsam schwach. Mit konstanten 1 Meter Schläuchen bin ich jetzt schon mehr als zufrieden. Auf\'s Geratewohl fliege ich nach Cluses bis zuhinterst in ein Tal, wo nur mehr ein kleines Wäldchen am Talboden Sonne hat. Dieses muss einfach einen Schlauch abgeben, sonst stehe ich hier oben. Aber wenn es geht, bin ich endlich an der Chaine. Dann könnte ich 50 km gratis diese Bergkette runterbrennen, glaube ich. Diesen langen, langen Weg habe ich auf mich genommen, um schlussendlich hier zu hängen und von dieser Chaine des Aravis abgewiesen zu werden? Schnee, Abschattungen und eine etwas tiefe Basis lassen mich nach rechts in die weniger hohen Hügel ausweichen. Diese spenden mir noch zweimal Basismachen. Hier hänge ich also auf 2350 Meter, das GPS zeigt 193 km. Jetzt sollte es doch klappen, oder? Würde ich nach links schräg zum GPS Pfeil fliegen, könnte ich womöglich noch das auf dem CCC-Formular erklärte Ziel, Faverges, erreichen. Nein, ich will nur die 200km, aber diese unbedingt! Anstatt jetzt etwa das Ausgleiten nach einem solch irrsinnigen Flug zu geniessen, weiss ich nichts besseres als mit Dollarzeichen in den Augen ununterbrochen Sinken, Groundspeed und jeden gefressenen Kilometer zu begutachten. Erst als die Nadel definitiv die 200er Marke überschreitet, schaue ich doch noch ein bisschen die Landschaft an und freue mich. \"Schirm, he Schirm, glaubst du das???\" schreie ich in die französische Abendluft. Was kribbelt mich? Ist es die Freude, hab ich kalt? Ich weiss es nicht. Erschöpft und hungrig lande ich um 19.58 jenseits des Lac d\'Annecy. Maurer Chrigel kommt dann extra von Villeneuve, um mich zurückzuholen, wohl weil er gerne Auto fährt, vielleicht aber auch ein bisschen, weil er einfach wissen möchte, wie ich diesen Flug gemacht habe.(?!?) Herzlichen Dank nochmals an Chrigel!