Ozone Enzo2, Niviuk IP7, Gin Boom9 / Superfinal, PWC Mexiko
Martin Scheel,
16. February 2014
Gestern, Samstag, 15.2.14 tagte die PWC Kommission in Genf. 6 Kommissionsmitglieder waren anwesend (Denis Cortella - Hans Bollinger - Paolo Zammarchi - Goran Dimiskovski - Laura Sepet - Martin Scheel) und hatten damit die Möglichkeit, Entscheide direkt zu fällen (absolutes Mehr). Weitere Kommissionsmitglieder waren online aktiv an der Sitzung beteiligt (Ulric , Eduardo Sanches, Alberto Castagna, Yann Martail). Ausgangslage **************** Superfinal 2013, 14.-25.1.14 in GV, Brasilien: Ozone homologierte seinen Enzo2 mit vielen Einnähern an der Hinterkante, so dass diese markant verkürzt wurde. Deswegen lieferte Air Turquoise (AT) nicht nur die Leinen- und Riserlängen als zu checkende Parameter an den PWC, sondern auch die Länge der Hinterkante. Joel Debons, der im Auftrag des PWC die Geräte der Besten und weitere Stichproben vermisst, musste beim Enzo2 sofort feststellen, dass die Hinterkante 2x20 = 40 cm länger ist. Dies bei allen, am Superfinal vermessenen Enzos (Abweichungen < 5cm). Auch beim Gin Boomerang 9 traten Unsicherheiten bei der Vermessung auf und man kann sich vorstellen, welch unglaubliches Hick-Hack von jedem auf die Geräte des anderen losging. Im Verlauf der Hektik wurde behauptet, dass alle Hersteller ihre Geräte tunen. Das PWC Komitee beschloss die Resultate des Superfinals nur provisorisch auszugeben und die Modelle der drei führenden Marken beim offiziellen Test-Laboratorium prüfen zu lassen. Die Geräte der jeweils besten Piloten wurden nach dem letzten Durchgang eingesammelt und separat ins PWC Büro in Frankreich transportiert (2 Geräte wurden von Laura mitgenommen, eins per DHL versendet). PWC Mexiko, 2.-8.3.: Noch vor dem offiziellen Trainingstag verunfallte der polnische Spitzenpilot Rafal Luckos tödlich (www.xcmag.com/2014/02/rafal-luckos-1974-2014). Hinzu kam ein weiterer schwerer Unfall und einige Zwischenfälle – alle mit dem Enzo2. Anscheinend beherrschten selbst routinierte Piloten den Enzo2 in den harten Bedingungen in Mexiko nicht mehr. Das PWC Komitee beschloss, den Enzo2 aus Sicherheitsgründen nicht zuzulassen. Da viele Piloten nach Brasilien direkt nach Mexiko reisten, musste mit Ersatzschirmen geflogen werden. Einige Piloten konnten am Wettbewerb nicht teilnehmen. Die Massnahme wurde jedoch nicht allzu stark kritisiert. Tests bei Air Turquoise (AT) ******************************* Air Turquoise (AT) führt unter der Leitung von Alain Zoller in Villeneuve EN-Tests durch. AT ist neben dem DHV das einzige EN-Testzenter für Gleitschirme. Die drei Modelle wurden von AT zertifiziert. Testberichte und Daten sind auf der Webseite www.para-test.de abrufbar. Am 13.2. wurden die Modelle der besten Piloten von Gin, Niviuk und Ozone bei AT genau vermessen und unter die Lupe genommen. Insbesondere wurde mit den archivierten Modellen genauestens verglichen. Anwesend waren: - zwei Vertretern des PWC Laura Sepet und Denis Cortella (tech Delegierter) - Luc Armant, Ozone - Olivier Nef, Niviuk - Hausi Bollinger, Gin - Rolf Zeltner von Advance - Beni Stocker Testpilot DHV und Sicherheitsbeauftragter SHV - Uli Prinz, Beobachter aus Deutschland Von AT: Alain Zoller, Elie Bourdilloud, Gilles Berruex Das Prozedere wurde mit Video- Ton- und Fotoaufnahmen minutiös festgehalten und zudem genau protokolliert. Vor Ort sagte Alain Zoller unmissverständlich, dass zwei der getesteten Modelle konform seien und eins nicht (Luc: (zu Alain) : “You say that 1 glider is not confirming and 2 gliders are confirming”?Alain: “Yes”). EN definiert aber die Toleranz bei den Leinenlängen mit 1cm. Dies als absolutes Mass und nicht relativ zu den Leinengruppen vor- bzw dahinter (Anstellwinkel). Kaum ein Gleitschirm mit etwas Flugzeit würde diesem Kriterium entsprechen. Deswegen bestätigen die offiziellen Dokumente von AT auch keine Konformität mit EN. Auch beim Beschleuniger-Weg gab es in den offiziellen Dokumenten Abweichungen vom Gütesiegeltest. Reports und Entscheide des PWC Komitees ************************************************** Am 15.2.14 tagte die PWC Kommission um Entscheide zu fällen (siehe Einleitung). Es soll an dieser Stelle nur auf die wesentlichen Entscheide eingegangen werden: Gin Boomerang 9 und Niviuk IP7 zeigen gemäss den Protokollen von AT keine Abweichungen, die einen Leistungsgewinn bringen würden. Beim IP7 betrug die durchschnittliche Verkürzung der A- zur B-Ebene ca. 4 mm, beim Boom9 war A sogar durchschnittlich 3mm länger als B. Auch die Differenz von A zu B aller Leinengruppen der beiden Geräte ist kleiner als 1cm. Einzig der Stabilo beim IP7 wurde 19 mm kürzer gemessen als beim archivierten Modell. Der PWC sieht darin jedoch keinen Leistungsgewinn. Beide getesteten Modelle würden bei einem normalen Check bei weitem durchkommen. Auch die gesamten Kalotten entsprachen sozusagen milimetergenau den archivierten Mustern. Interessant ist eine Abweichung beim maximalen Beschleunigerweg: Bei EN-Flugtests wird soweit beschleunigt, bis die Beschleunigerleine bei den Rollen horizontal liegt (die eine Rolle ist deswegen noch um den Radius derselben höher als die andere). In der Fachsprache wird von „Pulley to Pulley“ gesprochen. Bei der Nachkontrolle wurde nun aber weiter gedrückt, so wie es eben möglich ist. Beide Rollen sind dann horizontal nebeneinander oder die obere Rolle ist sogar unter der unteren („Pulley over Puley“). Dank Fotos aus den Gütesiegelverfahren konnte dieses unterschiedliche Messverfahren aber bewiesen werden. Für das PWC Komitee ist deswegen klar, dass es sich um dieselben Riser handelt, die aber beim Flugtest anders getestet wurden als bei der Nachprüfung. In der Summe steht für das PWC Komitee nicht in Frage, dass die beiden getesteten Geräte von Gin und Niviuk konform sind – wie es ja Alain direkt nach den Tests auf bestätigte. Ganz anders hingegen präsentierte sich der Nachtest beim Enzo2: - Hinterkante 410mm länger - Vorderkante 88mm kürzer - B Aufhängepunkte der zentralen Zellen 70mm weiter vorne - C Aufhängepunkte der zentralen Zellen 80mm weiter vorne Alles im Vergleich mit dem archivierten Modell bei AT. Zudem konnten grosse Differenzen in den B-Leinenlängen festgestellt werden. Da die Aufhängepunkte jedoch verschoben sind, wurde darauf nicht weiter eingegangen. Für AT und die PWC Kommission ist klar, dass es sich bei den ausgelieferten Geräten nicht um EN-konforme Geräte handelt. Ja, es dürfte sich sogar um einen ganz andern Schirm handeln, der den Piloten ohne ihres Wissens geliefert wurde. Die Ranglisten ***************** Auch wenn die Piloten keine Schuld trifft können die Resultate des Superfinals der Enzo2-Piloten nicht gewertet werden. Natürlich wurde diskutiert, den gesamten Superfinal zu annullieren, dies wäre aus diversen Gründen jedoch falsch und würde auch ein falsches Signal an die Hersteller senden. Die Resultate des Weltcups in Mexiko hingegen sind nun definitiv. Anhang: - Protokoll der Expertise bei Air Turquoise (AT), 13.2.14 - Protokoll des Komittee Meetings (inkl Fotos, vielen Erklärungen), 15.2.14 Martin Scheel, 16.2.2014