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Competition News

Campeonato Brasileiro / Pre-PWC

Tag 7, Task 5

Jörg Ewald, 7. September 2019
Als wir heute am Startplatz ankamen, war der noch in dicke Wolken eingepackt. Erst nach rund einer Stunde kam die Sonne durch, und wir entdeckten unterhalb des Startplatzes die Hagelkörnerhaufen, die immer noch von gestern übrig waren. Wie sich das wohl auf die Thermikgüte einer Gegend auswirkt? Tiefe Basis, eher noch ein bisschen mehr Wind als gestern, und wieder ein frühes Thermik-Ende waren angesagt. Der Task wurde dementsprechend mit 50 km eher kurz gesetzt, mit 5 Bojen zwischen Start und ESS waren auch die einzelnen Schenkel nicht übermässig lang, der längste ging über 12 km gegen den Wind. Das Briefing wurde mit einer kleinen Feier beendet, bei der jener Mann geehrt wurde, der vor 30 Jahren in Governador Valadares die ersten brasilianischen Gleitschirmmeisterschaften organisierte. Dann gab's nochmals eine halbstündige Verschiebung vom Start weil sich gerade kein Wind-Dummy fand, um 12:45 durfte ich endlich raus. Die Bedingungen waren am Anfang wirklich rauh, besonders am oberen Ende schlugen die Thermiken an eine Inversion und/oder Scherung an (über uns blies der Wind um 180 Grad in die andere Richtung als bei uns unten), gepaart mit dem typischen brasilianischen Thermikverhalten war das ein nervenaufreibender Mix, man kam sich ab und zu näher als mir lieb war. Ging aber alles gut, den Start nahm ich aus einer Position im Mittelfeld, konnte mich aber bei der ersten Boje bis fast zur Führungsgruppe vorarbeiten. Ab da war ich den ganzen restlichen Lauf immer um zwei Minuten zu spät dran, die heute sehr zyklische Thermik baute zuverlässig genau dann ab, wenn ich eintraf. Auf dem Weg zur zweiten Boje drehte die Führungsgruppe sehr hoch auf, und hätte locker einfach die Boje draussen im Flachen holen können. Witzigerweise blieben sie aber auf der Ridge drauf und flogen einen Riesenumweg - und das im Flachlandfliegerland Brasilien! Ich kam an der Ridge nur halb so hoch, aber holte trotzdem mit ein paar andern Nachzüglern die Boje im Flachen draussen etwa gleichzeitig mit der ersten Gruppe. Die mussten sich dann aber auf dem Rückweg wieder der Ridge entlang gegen den Wind zurückkämpfen, was nur sehr langsam ging. So trafen wir uns dann nach 25 km alle wieder, wir sogar ein bisschen höher, bevor es endgültig ins Flache raus ging. An der Ridge hatte ich ein paar Schirme extrem tief vor der Hauptgruppe gesehen, die stur in den Wind hineindrückten und nie aufsoarten. In dem Moment hatte ich mir darüber noch nicht so Gedanken gemacht, aber als mir dann von der dritten Boje her die Schirme vor mir entgegenkamen und ich etwas Buchhaltung machen konnte, fehlten da doch einige der Leute die bislang in der Gesamtrangliste um mich herum positioniert waren. Aber so richtig Freude wollte sich noch nicht einstellen, wir hatten ja noch 15 km vor uns, und die wurden zunehmend schwierig. Die zweitletzte und nach der vierten Boje, auch die letzte Thermik waren nämlich wieder am See. Ich konnte da wieder zur Spitze aufschliessen, nur halt ein Stockwerk tiefer. Die Piloten über mir flogen mit benötigter Gleitzahl 10 los, ich etwas später mit 7.5, und kam natürlich viel zu hoch im Ziel an. Roli machte das besser, er brauchte nach der Linie nur noch ein bisschen die Bremsen zu ziehen, dann stand er. Aus der Luft hatte ich rund 25 Schirme im Ziel gezählt vor mir - darunter aber einige, die mir nicht gefährlich werden können, und eben, ein paar andere fehlten. Ob so ein Top-30-Resultat reicht für einen Podestplatz? Auf der Heimfahrt hatten wir keinen Handy-Empfang, erst als der Bus in die Nähe von Poços de Caldas kam, machte es rundherum bing-bing-bing. Der Auswerter hier ist wirklich fix damit, das Livetracking in Resultate zu verwandeln. Tagessieger wird Ronnie Koerich, der grosse Teile der Strecke im Alleingang vorneweg in 1:37:03 abspulte, und dafür 613 Punkte erhält. Ich wurde mit 6:37 Rückstand 26. und hole 575 Punkte. Roli wurde 45. und holt 475 Punkte. Und wie schon vermutet, bezahlten die bisherigen Nummern 1 und 3 ihren für die heutigen Bedingungen sehr offensiven Stil mit einer Aussenlandung. Somit schaut das Gesamtklassement so aus: 1. Luciano Horn (BRA) 1987 2. Jörg Ewald (SUI) 1958 3. Moises Sobre (BRA) 1953 ... 7. Marcela Uchoa (BRA) 1885 (1. Platz bei den Damen) ... 31. Roland Zgraggen (BRA/SUI) 1710 (5. Platz in der "Aspiranten"-Klasse bis EN-D) Brasilianischer Meister, also bester aus den beiden Wettbewerben in Governador Valadares und hier in Poços de Caldas, wird Rafael Saladini, der mir immer noch jedes Mal "turn left" zuflüstert wenn er an mir vorbeiläuft. Interessant auch, dass ich auch in der Wertung mit den reduzierten GAP-Parametern, die für die Brasilianische Meisterschaft zählt, an zweiter Stelle liege - dahinter sind die Resultate dann aber doch recht verschieden. Der Bonus wurde also riesig gross und beinhaltet auch ein Weltcup-"A" das mir für die nächsten zwei Jahre Zugang zu allen Weltcup-Anlässen gibt. Gleich geht's zur Siegerehrung, morgen dann per Bus zum PWC im 30 km entfernten Andradas.
Campeonato Brasileiro / Pre-PWC

Tag 6: Task 4

Jörg Ewald, 5. September 2019
Der Tag fing mit blauem Himmel an, die Prognose dämpfte dann aber unsere Freude gerade wieder ein bisschen: Zwischen einem Trog im Süden und einer sich nähernden weiteren Front sei der Wind in der Höhe recht stark. Mit der ganzen Feuchtigkeit der letzten Tage im Boden sollte sich die Thermik nur zögerlich entwickeln, und dann schon früh, schon kurz nach 15 Uhr, wieder verziehen. Zudem seien am späteren Nachmittag lokale Überentwicklungen möglich. Dementsprechend wurde eine relativ kurzer Lauf von 60 km gesetzt, zuerst ein langer Schenkel gegen den Wind nach Nordost, dann im Zick-Zack via zwei Bojen wieder zurück, in ein Goal ein paar Kilometer vor dem Startberg. Vor dem Rennstart zeigte sich schon, dass die Thermik zwar gut zog, aber dass der Nordostwind, gegen den wir dann anfliegen würden, wirklich ziemlich kräftig blies und die Thermik stark zerfranste. Dementsprechend kamen wir auch nicht so hoch, nur knapp auf 2000m, und ich hatte ständig das Gefühl, 50m neben dem "guten" Schlauch zu drehen. Aber anscheinend ging das vielen andern auch so. Vom Rennstart weg machten einige junge Brasilianer mächtig Druck nach vorne, gruben immer wieder tief etwas aus, und preschten weiter kaum kamen wir bei ihnen oder über ihnen an. So schafften wir den Gegenwindschenkel überraschend gut, zudem wurde die Thermik immer besser. Der letzte Schlauch vor der Boje gab zuweilen 5 m/s her! Beim Rückweg zog ich dann ein bisschen die Handbremse an, schliesslich lag die letzte Boje wieder an dem See, an dem wir am Trainingstask schon vorbeigekommen waren. Diesmal mussten wir ihn zwar nicht überqueren, aber die Führungsgruppe kam dort tief an und musste sich mühsam in der erwartungsgemäss schwächeren Thermik ausgraben, während meine Gruppe mit viel Höhe daherkam, die Boje schnappte und sich auf die erste Gruppe draufsetzte. Ich verzog mich dann nochmals ein bisschen weg vom See, was mit noch stärkerem Steigen belohnt wurde. Als ich aus dem Augenwinkel sah, wie die Gruppe schräg unter mir in den Endanflug ging, war mein erforderliches Gleiten ins Ziel noch 8 - ich gab ihnen wenig Chancen, das durchzuziehen. Als mich dann aber auch noch der Lokalmatador Cristiano Ricci verliess, machte ich noch einen Kreis und flog los, benötigtes Gleiten 7.5. Auf halbem Weg zur ESS fing aber die Gruppe vor uns im Geradeausflug an zu steigen, und so ging ihre Rechnung auf, meine nicht ganz. Schlussendlich schafften es heute überraschenderweise alle, die an die ESS kamen, auch ins Ziel, obwohl die Linie leicht erhöht hinter dem Landeplatz lag. 75 strahlende Gesichter im Ziel, über dem Startberg bauen sich derweilen bedrohlich dunkle Wolken auf, es donnert während wir zusammenpacken. Auf dem Rückweg gerieten wir dann in einen heftigen Regen- und Hagelschauer, der auch die Stadt zeitweilig lahmlegte. Unter anderem fiel eine der Seilbahnkabinen vom Trageseil auf ein Garagendach. Zum Glück nutzen wir dieses Mal - anders als 2010 - die Bahn nicht mehr, um an den Startplatz zu kommen, die dürfte morgen kaum ihren Betrieb aufnehmen. Der Tagessieger Moises Sodre schaffte die Strecke in 1:58:58, er erhielt dafür 749 Punkte. Ich wurde mit 1:41 Rückstand 23. und büsste auf Moises 18 Punkte ein. 7 Minuten hinter mir kam auch Roli Zgraggen ins Ziel, er wurde heute 44. Overall führt nun Moises die Wertung an, ich konnte meinen 4. Platz verteidigen, mit 6 Punkten Rückstand aufs Podest und 9 Punkten auf Moises. Morgen soll es je nach Wettermodell nochmals ähnlich werden wie heute, oder aber ein Hammertag. Wie auch immer, für mich steht klar der Angriff aufs Podest auf dem Programm. Das Bild hat ein Helfer am Startplatz aufgenommen.
Campeonato Brasileiro / Pre-PWC

Tag 5: Task 3

Jörg Ewald, 5. September 2019
Graue Wolken am Morgen, wir fuhren 90 Minuten später als sonst an den Startplatz hoch - und warteten dort nochmals über eine Stunde, bis der Himmel anfing blaue Löcher zu zeigen. Eine kurze Aufgabe von 55 km wurde ausgeschrieben: Startfenster von 13:15-15:15, Rennstart 14:15. Sonnen- und Wolkenphasen wechselten sich regelmässig ab, wer startete verschwand bald Richtung Landeplatz. Dann war absehbar, dass die Sonne etwas länger bleiben wird, also startete ich, immer noch in der Hoffnung, den Rennstart gut zu erwischen und dann in diesem Sonnenfenster weiterzufliegen. Die Thermik war aber sehr schwach, und verschwand auf 1500m. Keine Chance, bis zum Startzylinder zu kommen - und nach einer halben Stunde zog der Himmel wieder zu. Als wir im vollen Bus vom Landeplatz wegfuhren, war der Himmel durchgängig blau und blieb es auch - und endlich konnten sich Piloten in der Luft halten und sogar die Krete überhöhen. Die erfolgreichsten hatten bis nach 15 Uhr ausgeharrt, und kamen rund 15 km weit. Am Schluss gab es für die 12 besten je 4 Punkte, wer absoff wie ich, erhielt 2 Punkte. Bei den Gewinnern mit dabei sind ausser mir alle Mitteleuropäer: Roland Zgraggen, Peter Nägele (D) und mit 15.11 km der Tagesweitestflieger Lukas Zangl-Jagiello (AT). Aufgrund einer bizarren brasilianischen Sonderregel zählt der Lauf nicht für den Wettbewerb, wir stehen also nach wie vor bei zwei Läufen und ich bleibe auf dem vierten Platz. Die letzten 2 Tage schauen gut aus, für den Weltcup in Andradas sind die Prognosen derzeit sehr vielversprechend.
Campeonato Brasileiro / Pre-PWC

Tag 2, Task 2

Jörg Ewald, 2. September 2019
Nachtrag zu Task 1 gestern: Nachdem über Nacht die Scoring-Formel geändert wurde (von PWC 2017 auf PWC 2016) und bei der Auswertung die angekündigte, geringe Toleranz zur Anwendung kam (was 7 Piloten die ins Ziel geflogen waren, zurückwarf weil sie Bojen verpasst hatten), veränderten sich die Resultate zu meinen Gunsten, und somit ist mein erster internationaler Task-Sieg seit 2007 Tatsache. Task 2: Der Tag begann grau, komplett abgedeckt, trotzdem fuhren wir hoch, am Startplatz erwartete uns ein strammer Wind von vorne, der zwischendurch aber auch mal um 180 Grad drehte. Die Wolken brachen immer mehr auf, und verschwanden dann doch recht überraschend komplett zwischen zwei Mal hochgucken. Die Tagesaufgabe hatte eine ähnliche Form wie die gestern, aber wurde etwas mehr in den Süden verlegt, da der Wind doch eher nördlich und eher stärker erwartet wurde. Kaum schloss der Meet-Director das Briefing, brach eine aufgeregte Diskussion zu den (gestern gesetzten!) GAP-Parametern los, ein Pilot hielt einen minutenlangen Monolog in stark erhöhter Lautstärke, andere nickten oder schüttelten ihre Köpfe. Sämtliche Versuche von Vinicius, dem Meet-Director, die Diskussion abzubrechen und uns in die Luft zu bringen, scheiterten. Anscheinend hatte er die Hitzköpfe am Vorabend schon gebeten, ihre Bedenken schriftlich als offiziellen Complaint einzureichen - was nicht geschehen war. Schlussendlich wurden als Kompromiss Nominaldistanz und -Zeit reduziert, dann durften wir endlich starten. Ich ging als zweiter raus, dann kam lange niemand mehr, weil ich anfänglich doch etwas Mühe hatte, die vom starken und aus ungewohnter Richtung blasenden Wind zerrissene Thermik zu nutzen. Mit der Zeit ging das dann immer besser, immer mehr Piloten halfen mit, die Schläuche zu finden. Weniger geholfen hat, dass ein Pilot "vergass" dass in unserem Kalender ab und zu zwei ungerade Tage hintereinander liegen können, wir also zwei Mal hintereinander vor dem Start links rum drehen. Nach dem Motto "was, ein Falschfahrer, das sind ja hunderte!" zerschoss er immer wieder unsere Pulks und liess sich auch durch Funkansagen der Wettkampfleitung und Zurufen keines Besseren belehren. Windig war's, die Wolken nahmen laufend zu, ich sehnte mir den Start herbei. Aber genau als der dann kam, war ich nicht so ideal positioniert, und weil in Richtung nächster Boje eh alles im Schatten lag, blieb ich zurück um noch einmal richtig Höhe zu machen. Exakt eine Stunde später war ich immer noch an der gleichen Stelle, zusammen mit einer kleinen Gruppe inklusive dem Brasilien-Auswanderer Roland Zgraggen. Wir waren (alle in die gleiche Richtung drehend) einige Male über Grathöhe gestiegen, aber keiner hatte Lust, so tief loszufliegen. Der Rest des Felds war schon längst am Horizont entschwunden. Die nächste längere Sonnenphase brachte uns auf knapp 1900m, und endlich gingen auch wir die Aufgabe an. Das funktionierte für den grössten Teil der Gruppe genau bis zur Boje, wo sie landen mussten. Roli, ein Brasilianer und ich schafften es noch ein gutes Stück weiter, der beste Teil des Flugs waren die rund 5 km, die ich - unter geschlossener Wolkendecke - umgeben von hunderten von Urubus, der lokalen Geierart, zurücklegte. Diese Vogelwolke zeigte mir immer genau an, wo gerade das stärkste Steigen zu finden war. Die Vögel verhielten sich ganz anders als sonst in der Thermik, sie wirkten verspielt, jagten sich gegenseitig, machten Kapriolen wenn sie ein besonders starkes Steigen erwischten und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie das ganz lustig fanden, dass ich mit ihnen mitspielte. Hinter den Urubus wurde der Himmel immer dunkler, nach ein paar Regentropfen glitt ich dann über den inzwischen gelandeten Roli hinweg aus. Wählte einen kahlgeernteten Hügel (das reduziert das Risiko, von einer illegalen Stromleitung aus dem Himmel gesiebt zu werden) unweit der Hauptstrasse und landete. Der Handyempfang war eher schwach, also machte ich mich zu Fuss auf den Weg zur Hauptstrasse. Der Weg, den ich dafür aus der Luft ausgewählt hatte, erwies sich am Boden als Sackgasse, schlussendlich marschierte ich rund eineinhalb Stunden bis zur Strasse. Die Sturmböen sorgten zum Glück für etwas Abkühlung. Bei der Hauptstrasse angekommen, trafen der Laster, der jeweils unsere Schirme zum Starplatz fährt, und das Gewitter genau zur gleichen Zeit ein. Schwein gehabt! Im Hauptquartier erwartete mich heute Rafael Saladini, der sich für seine penetrante Rechtsdreherei und Rechthaberei vor dem Start gar nicht genug entschuldigen konnte. Den Witz vom Falschfahrer hatte er noch nicht gekannt. Ausbeute heute: Niemand kam ins Ziel, der Sieger legte von den 79 geplanten Kilometern deren 65 zurück, ich schaffte 35, Rang 48. Overall führt nun Mauricio de Albuquerque (lustig, nach Albuquerque werde ich im Oktober reisen), ich stehe auf Rang 6. Das ist allerdings noch alles mit viel Vorsicht zu geniessen, derzeit ist ein Complaint hängig gegen die ad-hoc-Anpassung der GAP-Parameter. Und nein, der ist nicht von mir! Während ich das schreibe, plätschert draussen der Regen, und die Prognosen für morgen deuten auf einen Ruhetag hin - viel Zeit, weiter über GAP-Parameter zu diskutieren. Juhui!
Campeonato Brasileiro / Pre-PWC

Trainingstag und erster Tag

Jörg Ewald, 1. September 2019
Mit Poços de Caldas in Brasilien hatte ich noch eine Rechnung offen: Um Ostern 2010 herum fand hier ein Weltcup statt, der fliegerisch gerade mal zwei kleine Tasks hergab. Ich kam bei beiden nicht weit. Ansonsten regnete es ständig, an einem Tag fiel am Startplatz sogar etwas Schnee. In Brasilien. Im April. Offene Rechnungen sollte man irgendwann einmal begleichen, darum schrieb ich mich neben dem Weltcup in Andradas auch gleich noch für die Brasilianische Meisterschaft - eben in Poços de Caldas - ein, und reiste am Mittwoch via Sao Paulo an. Der Trainingstask gestern Freitag war schon ganz anders als meine bisherigen Erfahrungen hier. Blauer Himmel, zuverlässiges Steigen (zur Not auch mal von ganz tief raus), gute und weniger gute Linien, wie man das von Brasilien halt kennt und auch ein bisschen erwartet. Der Task war "interessant" gesteckt: Der zweite Zylinder lag am gegenüberliegenden Ufer eines Sees, in dessen Umgebung die Thermik deutlich schlechter war als überall sonst wo wir vorbeikamen. Dass es da zu keinen Badeszenen kam, war eher Zufall. Ich liess mir sehr viel Zeit, und schaffte es dann mit der ersten Gruppe, die den Start gemäss Ausschreibung genommen hatte, ins Ziel. Das Feld dort, und die Landungen, die ich aus der Luft beobachtete, motivierten mich, noch einmal aufzudrehen. Schlussendlich erreichte ich knapp 2900m, und nutze das für eine Runde einmal um die Stadt herum. Am Westende fand ich dann ein grosses Feld, und nach langem Warten am Strassenrand - Taxis kamen keine vorbei, den lokalen Uber-Fahrern war's zu weit - einen freundlichen Herrn aus Italien, der mich bis vors Hotel fuhr. Die Einschreibung erreichte ich so gerade noch rechtzeitig. Heute ging's dann los mit Task 1, 81 km Richtung Westen, das meiste davon quer zum erwarteten Wind. Den Start erwischte ich nur mittelprächtig, nach der ersten Boje lag ich ziemlich weit zurück. Wegen dem Wind beschloss ich, für die folgende In-Out-In-Sequenz (drei Zylinder um den gleichen Wegpunkt: 52km enter, 58km exit, 52km enter) die Streckenvorgabe meines Varios zu ignorieren und eher luvseitig zu bleiben, um so den letzten, langen Schenkel möglichst wenig gegen den Wind zu fliegen. Das lief richtig gut, und so fand ich mich ab dem zweiten In in der Spitzengruppe. Die wurde allerdings wegen zunehmenden Abschattungen (im Briefing hatte es noch geheissen "heute keine Wolken") immer langsamer, und dementsprechend immer grösser. Ich war aber gut positioniert, meist ganz oben drauf. 20 km vor dem Ziel war dann die Sonne vor uns komplett weg, wir drehten einen sterbenden Schlauch, die ungeduldigeren flogen weiter, fanden 200m weiter noch einmal etwas, viele gingen mit, und plötzlich zog unser Schlauch wieder an. So sehr, dass ich beim Wegfliegen sogar schon anfing wegen der Höhenbegrenzung bei 2895m zu bibbern. Das klappte gerade noch, und so ging meine kleine Gruppe mit benötiger Gleitzahl von etwa 8 in den Endanflug. Gleitzahl 8 ins Ziel ist an den meisten Orten ein sicherer Wert - aber nicht in Brasilien, das weiss ich mittlerweile. Und tatsächlich, wie wir so über die komplett abgeschattete Fläche glitten, ging der Wert anfangs zwar schön runter, blieb dann aber hartnäckig bei 5.2 stehen. Daraus ergaben sich so nervenaufreibende 15 Minuten, wie ich sie selten erlebt habe: Vor mir - und tiefer - nur gerade mal drei Schirme. Ich im Vollgas, ohne Möglichkeit, meine immer mal wieder unter 4 tauchenden Gleitzahl weiter zu verbessern. Weit voraus das Ziel. Unterwegs erspähte ich ein paar Vögel, die eher unmotiviert Thermikreste ausdrehten, die kleinen Umwege zu ihnen hin belohnten mich mindestens mit etwas weniger Sinken. Die benötige Gleitzahl blieb bei 5.2. Je tiefer wir kamen, desto spürbarer wurde der Gegenwind vom See her, der hinter dem Ziel lag. Auch nicht gerade hilfreich. Kaum hatten wir die ESS erreicht, kam etwas Sonne durch, die drei vor mir schafften es aber trotzdem nicht mehr über die 2 km entfernte Ziellinie. Ich erwischte noch einmal einen kleinen Vogel-markierten Heber - und flog als allererster über die Ziellinie. Wow! Die 30m Resthöhe waren sehr schnell abgebaut. In der Stunde nach meiner Landung kamen immer wieder Piloten angeflogen, aber jeder Dritte stand kurz vor der Linie am Boden. Einige erreichten die ESS nur knapp über Goal-Höhe, fanden Thermik, liessen sich mehrere Kilometer zurücktreiben, um dann doch noch ins Ziel zu fliegen. Schlussendlich waren 42 im Ziel, weitere 21 mussten zwischen ESS und Ziel landen. Zurück im HQ wurde ich ungeduldigtst erwartet vom Meet Director und dem Auswerter: Die Auswertungssoftware verhielt sich seltsam, ob ich mir das mal anschauen könnte. Der erste Versuch scheiterte, mein Bauch brummte so laut dass mein Kopf nicht denken konnte. Nach einem Abstecher in eine enorm beliebte Pizzeria fand ich den Fehler (Wurzel einer negativen Zahl, weil die schnellsten Piloten an der ESS es nicht ins Ziel geschafft hatten, anscheinend kein häufiger Fall), korrigierte ihn und jetzt sind die Resultate draussen. Mein Hänger am Anfang wirkte sich natürlich auf die Leading Points aus, somit bin ich mit einem Punkt Rückstand auf Luciano Horn Zweiter. Meine Rechnung mit Poços de Caldas erkläre ich hiermit für beglichen, was nun noch kommt ist Bonus.
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