Task 4: 78 km bei ziemlich viel Wind und eher wenig Thermik
Mit Wünschen soll man vorsichtig sein, manchmal gehen sie in Erfüllung. Die Aufgabe bestand aus einer Strecke über 78 km, zuerst rund 20 km gegen den vorhergesagten Südwestwind, dann 30 nach Norden, über die Grenze nach Spanien, und zum Schluss nochmals 30 km mit dem Wind nach Osten. So kurz und so wenige Bojen, da musste etwas dahinter stecken. Und ja, beim Meteobriefing war dann doch mehrmals von gegenüber den bisherigen Tagen deutlich gesteigerten Windgeschwindigkeiten die Rede. Auch die Turbinen auf den Kanten rundum drehten heute schon früh recht munter vor sich hin. Es hatte Wind.
Der machte sich dann auch schon am Startplatz bemerkbar, der erste der seinen Enzo aufzog wurde ausgehebelt und in die Menge der hinter ihm wartenden Piloten geschnippt. Ging aber glimpflich aus. Die andern waren gewarnt, wer eine ruhige Phase abwartete, kam gut raus.
Thermik hätte es eigentlich trotz Wind immer noch viel haben sollen, nur war davon vor dem Rennstart nicht viel zu spüren. Zwischendurch gab’s beängstigend lange Ruhepausen, und was dann hochkam war eher mager, trug nicht sehr hoch und hielt auch nicht lange an. Dafür wurde man, wenn man nicht dagegen ankämpfte, immer weiter vom Startzylinder weggeblasen.
Kurz vor dem Rennstart waren wir darum auch nur noch ein kleines Grüppchen, das vorm Startplatz sauber Höhe machte. Der Rest des Feldes war nach hinten über die Ridge verteilt und durchwegs tiefer als wir, auf die zu warten machte keinen Sinn, also flogen wir los. Raus ins Flache, zum Startzylinder hin, trug’s sehr gut, der Gegenwind erreichte aber bis zu 30 km/h, wir kamen also nur sehr langsam vorwärts. Nach Startzylinder und erster Boje ab Richtung Sattel zwischen Montalegre und See, dort steht immer ein super Pump.
Hinter uns machte sich das Feld nun auch so langsam zum Startzylinder auf, etwa auf gleicher Höhe wie wir vorher, schien mir, aber natürlich mit dem Schwarmvorteil, der beim Liniensuchen und Themikaufspüren viel hilft. Trotzdem wurden von den Piloten im Hauptpulk am Funk die Bedingungen diskutiert, es gab Voten zwischen Level 1 (kein Problem) und Level 3 (gefährlich), das Rennen wurde weiter laufen gelassen.
Zu dem Zeitpunkt waren ich und mein verbliebener Begleiter schon eher tief überm Boden. Eigentlich kein Problem, irgendwann würde einer dieser starken Schläuche kommen, die wir hier in den letzten Tagen zuverlässig auch tief unten angetroffen hatten. Kam aber nicht, stattdessen gab’s eine kurze Phase in der ich rückwärts flog, da war dann bei mir endgültig der Spass zu Ende und ich setzte mich ins nächste grössere Feld ab. Mein Kumpel kam noch ein paar Felder weiter.
Etwa 15 Minuten später kamen die ersten Verfolger. Wär ja ein genialer Vorsprung gewesen! Die meisten waren doch ein paar hundert Meter höher, und konnten sich so über den Sattel ins Luv retten, wo sich ihre Schirme dann aber in der Thermik immer mal wieder ganz übel verbogen. Es gab aber auch noch die andern, die direkt bei mir, davor oder kurz dahinter zu Boden gingen.
Insgesamt war der Tag viel stabiler als erwartet. Von den angekündigten grossen Wolken mit möglichen Überentwicklungen sah man keine Spur, dafür bildeten sich ein paar Lenticularis in der Höhe. Die wenige Thermik war natürlich extrem zerrissen und verblasen. Die Konvergenzen konnten sich so auch nicht aufbauen. Bei solchen Bedingungen braucht es neben guter Schirmbeherrschung und viel Geduld auch immer ein bisschen Glück, damit man jeweils zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und wenn einem das Glück verlässt, hat man mangels Arbeitshöhe kaum eine Chance, sich wieder auszugraben. Daraus resultierte heute eine sehr regelmässige Verteilung der Piloten entlang der Strecke. Ins Ziel geschafft hat’s keiner, der weiteste, der Japaner Kuremoto, kam immerhin 72.8 km weit.
Also von mir aus dürfen die restlichen Tage gerne wieder so einfach sein wie die ersten drei!
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