Tag 7, Task 5
Als wir heute am Startplatz ankamen, war der noch in dicke Wolken eingepackt. Erst nach rund einer Stunde kam die Sonne durch, und wir entdeckten unterhalb des Startplatzes die Hagelkörnerhaufen, die immer noch von gestern übrig waren. Wie sich das wohl auf die Thermikgüte einer Gegend auswirkt?
Tiefe Basis, eher noch ein bisschen mehr Wind als gestern, und wieder ein frühes Thermik-Ende waren angesagt. Der Task wurde dementsprechend mit 50 km eher kurz gesetzt, mit 5 Bojen zwischen Start und ESS waren auch die einzelnen Schenkel nicht übermässig lang, der längste ging über 12 km gegen den Wind.
Das Briefing wurde mit einer kleinen Feier beendet, bei der jener Mann geehrt wurde, der vor 30 Jahren in Governador Valadares die ersten brasilianischen Gleitschirmmeisterschaften organisierte. Dann gab's nochmals eine halbstündige Verschiebung vom Start weil sich gerade kein Wind-Dummy fand, um 12:45 durfte ich endlich raus.
Die Bedingungen waren am Anfang wirklich rauh, besonders am oberen Ende schlugen die Thermiken an eine Inversion und/oder Scherung an (über uns blies der Wind um 180 Grad in die andere Richtung als bei uns unten), gepaart mit dem typischen brasilianischen Thermikverhalten war das ein nervenaufreibender Mix, man kam sich ab und zu näher als mir lieb war. Ging aber alles gut, den Start nahm ich aus einer Position im Mittelfeld, konnte mich aber bei der ersten Boje bis fast zur Führungsgruppe vorarbeiten.
Ab da war ich den ganzen restlichen Lauf immer um zwei Minuten zu spät dran, die heute sehr zyklische Thermik baute zuverlässig genau dann ab, wenn ich eintraf. Auf dem Weg zur zweiten Boje drehte die Führungsgruppe sehr hoch auf, und hätte locker einfach die Boje draussen im Flachen holen können. Witzigerweise blieben sie aber auf der Ridge drauf und flogen einen Riesenumweg - und das im Flachlandfliegerland Brasilien! Ich kam an der Ridge nur halb so hoch, aber holte trotzdem mit ein paar andern Nachzüglern die Boje im Flachen draussen etwa gleichzeitig mit der ersten Gruppe. Die mussten sich dann aber auf dem Rückweg wieder der Ridge entlang gegen den Wind zurückkämpfen, was nur sehr langsam ging. So trafen wir uns dann nach 25 km alle wieder, wir sogar ein bisschen höher, bevor es endgültig ins Flache raus ging.
An der Ridge hatte ich ein paar Schirme extrem tief vor der Hauptgruppe gesehen, die stur in den Wind hineindrückten und nie aufsoarten. In dem Moment hatte ich mir darüber noch nicht so Gedanken gemacht, aber als mir dann von der dritten Boje her die Schirme vor mir entgegenkamen und ich etwas Buchhaltung machen konnte, fehlten da doch einige der Leute die bislang in der Gesamtrangliste um mich herum positioniert waren. Aber so richtig Freude wollte sich noch nicht einstellen, wir hatten ja noch 15 km vor uns, und die wurden zunehmend schwierig. Die zweitletzte und nach der vierten Boje, auch die letzte Thermik waren nämlich wieder am See. Ich konnte da wieder zur Spitze aufschliessen, nur halt ein Stockwerk tiefer. Die Piloten über mir flogen mit benötigter Gleitzahl 10 los, ich etwas später mit 7.5, und kam natürlich viel zu hoch im Ziel an. Roli machte das besser, er brauchte nach der Linie nur noch ein bisschen die Bremsen zu ziehen, dann stand er.
Aus der Luft hatte ich rund 25 Schirme im Ziel gezählt vor mir - darunter aber einige, die mir nicht gefährlich werden können, und eben, ein paar andere fehlten. Ob so ein Top-30-Resultat reicht für einen Podestplatz? Auf der Heimfahrt hatten wir keinen Handy-Empfang, erst als der Bus in die Nähe von Poços de Caldas kam, machte es rundherum bing-bing-bing. Der Auswerter hier ist wirklich fix damit, das Livetracking in Resultate zu verwandeln.
Tagessieger wird Ronnie Koerich, der grosse Teile der Strecke im Alleingang vorneweg in 1:37:03 abspulte, und dafür 613 Punkte erhält. Ich wurde mit 6:37 Rückstand 26. und hole 575 Punkte. Roli wurde 45. und holt 475 Punkte. Und wie schon vermutet, bezahlten die bisherigen Nummern 1 und 3 ihren für die heutigen Bedingungen sehr offensiven Stil mit einer Aussenlandung. Somit schaut das Gesamtklassement so aus:
1. Luciano Horn (BRA) 1987
2. Jörg Ewald (SUI) 1958
3. Moises Sobre (BRA) 1953
...
7. Marcela Uchoa (BRA) 1885 (1. Platz bei den Damen)
...
31. Roland Zgraggen (BRA/SUI) 1710 (5. Platz in der "Aspiranten"-Klasse bis EN-D)
Brasilianischer Meister, also bester aus den beiden Wettbewerben in Governador Valadares und hier in Poços de Caldas, wird Rafael Saladini, der mir immer noch jedes Mal "turn left" zuflüstert wenn er an mir vorbeiläuft.
Interessant auch, dass ich auch in der Wertung mit den reduzierten GAP-Parametern, die für die Brasilianische Meisterschaft zählt, an zweiter Stelle liege - dahinter sind die Resultate dann aber doch recht verschieden.
Der Bonus wurde also riesig gross und beinhaltet auch ein Weltcup-"A" das mir für die nächsten zwei Jahre Zugang zu allen Weltcup-Anlässen gibt. Gleich geht's zur Siegerehrung, morgen dann per Bus zum PWC im 30 km entfernten Andradas.
Michael Sigel on Saturday, 7. September 2019, 11:58